Entwicklung von Weltsichten und Wertehierarchien

Spiral Dynamics, Graves Value System, 9 Levels of Values, Profile Dynamics

Was ist nur los mit der Welt? Das fragen sich zur Zeit viele Menschen. Ob man die derzeitige Entwicklung als gut oder schlecht ansieht - oder überhaupt eine Wertung dazu abgibt - hängt maßgeblich von den eigenen Werten und der Sicht der Welt ab. Heute möchte ich ein Entwicklungsmodell vorstellen, dass von Prof. Claire Graves bereits ab den 60er Jahren des 20 Jahrhunderts entwickelt und beforscht wurde. Das Graves Value System wurde dann von D.Beck und C. Cowan zu "Spiral Dynamics" weiterentwickelt. Business-taugliche Fragebögen werden in Deutschland unter den Marken "9levels of values" und "ProfileDynamics" vertrieben. Beide können Sie inklusive Auswertungsgespräch und Folgemaßnahmen auch bei mir bekommen.

Professor Graves fand bei seinen Untersuchungen heraus, dass es acht verschiedene Wertehierarchien gibt, die zu komplett unterschiedlichen Weltsichten führen. Die Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, eine neunte Hierarchieebene zeichnet sich bereits ab.

Diese Wertehierarchien haben sich im Laufe der letzten 100.000 Jahre der Menschheitsgeschichte in einer bestimmten Reihenfolge herausgebildet. Dabei wechseln sich eher Ich-bezogene Phasen mit eher Wir-bezogenen Phasen ab. Die Stufe, auf der sich ein Mensch, eine Organisation, eine Gesellschaft befindet, bestimmt den Schwerpunkt des Denkens und damit zumeist auch des Handelns. Jedes Wertsystem bzw. jede Ebene entwickelt sich aus dem gegenseitigen Zusammenwirken von bestimmten Lebensumständen und Problemen sowie der dazugehörigen Lösungsstrategie (Coping-Mechanismus).Mit den Veränderungen von Lösungsstrategien können andere, neue Anforderungen bewältigt werden und umgekehrt: Neue Anforderungen erfordern neue Lösungsstrategien.

Dieses Modell beschreibt keine Typen - es beschreibt Denk- und Wahrnehmungsmuster. Es beschreibt vor allem, was wir in bestimmten Situationen als richtig oder angemessen bzw. falsch oder unangemessen finden.

Diese Hierarchieebenen entstehen also durch die Veränderungen in der Welt und die Notwendigkeit, sich diesen Veränderungen anzupassen.

Die Entwicklungslinie startet bei Ebene 1(beige) und geht über Ebene 2(Purpur) 3(rot), 4(blau), 5(orange), 6(grün), 7(gelb), 8(türkis) bis zur gerade auftauchenden Ebene 9 (koralle). Die "ungeraden" Ebenen sind aber die, die die Individualität betonen. Die "geraden" Ebene sind diejenigen, die die Gruppe im Fokus haben.

Themen wie Digitalisierung, Globalisierung, Klimaveränderung u.a.m. zwingen die Menschheit, sich mit immer komplexeren Herausforderungen auseinanderzusetzen und sich in diesem Sinne auf den Ebenen vorwärts zu bewegen. Je höher die Zahl, desto höher ist die Möglichkeit, mit Komplexität umgehen zu können.

Zunehmend werden wir als Menschen in Machtpositionen brauchen, die sich auf den Ebenen ab 7 aufwärts bewegen. Eine gute und kurze Beschreibung der Ebenen finden Sie unter: https://www.9levels.de/9-levels/level-1-9/

Wenn Sie diese Beschreibungen gelesen haben, dann werden Sie vielleicht schon eigenen Präferenzen entdeckt haben oder Ebenen, die Sie selbst ablehnen. Wir tragen prinzipiell alle Ebenen, die wir bereits durchlaufen haben in uns. Wir verlassen eine Ebene in der Regel dann, wenn sich die Bedingungen unserer Umwelt verändern und wir eine Anpassungsleistung erbringen müssen, da unsere "alten" Strategien nicht mehr genügen.

Betrachten wir also einmal das Geschehen der Welt aus der Brille dieses Entwicklungsmodells. Unsere modernen Industriegesellschaften (Mitteleuropa,USA) befinden größtenteils auf den Ebenen 4 und 5 (Blau und Orange). Manche Idee der Zusammenarbeit (NATO, EU) sind aus dem Gedankengut der Ebene 4 entstanden und haben sich in den Jahren teilweise Richtung Ebene 6(grün) weiterentwickelt. 

Themen wie Klimawandel, Globalisierung etc. erfordern ein wesentlich komplexeres Denken als dies in diesen Ebenen vorhanden sein kann (und auch gar nicht notwendig war). Um die Probleme der Welt zu lösen brauchen wir ganzheitlich, über den eigenen Teller- (sprich Unternehmens- oder Länder-)Rand hinausblickende Menschen in Machtpositionen. 

Wenn wir uns die momentanen Tendenzen anschauen - Brexit, Dogmatisierungen (rechts- links- religiös- ethnisch) und "Wir/Ich first"-Parolen, dann ist dies eine Haltung, die in Ebene 3 (rot) - oder bestenfalls (weil durch die Ebene 4 bereits der Wert von Gesetzen, Regeln und Ordnung erkannt wurde) in Ebene 5 (orange) angesiedelt ist. Der Vorteil dieser Haltung ist, dass sie von wesentlich mehr Menschen verstanden wird. Sie reduziert die Komplexität der Welt. Leider nur in den Parolen. Denn die Welt ist weiterhin komplex.

Der Versuch, die Probleme einer komplexen Welt aus einer Haltung der Ebenen 3 oder 5 zu lösen kann (nicht nur) nach Professor Claire Graves nur scheitern. Wenn man Veränderungen begreift, dann wissen wir, dass dadurch, dass einfach mal etwas anders gemacht wird, sich oft eine kurzfristige Besserung einstellt.

Was durch diese Haltung und die daraus resultierenden Entscheidungen gerade langfristig auf unserer Welt angerichtet wird möchte ich mir nicht vorstellen.

Ja, wir müssen Komplexität reduzieren. Fangen wir doch einfach mal bei uns selbst damit an.

Ihre, Anja Mumm