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Internationaler Frauentag

Gleichberechtigung - wie geht das?!

Heute ist der         INTERNATIONALE FRAUENTAG - herzlichen Glückwunsch, meine Damen :)

Erst vor ein paar Tagen habe ich im SPIEGEL gelesen: „Deutschland hat einen der größten Gender-Pay-Gaps in Europa“. Um durchschnittlich 19 % werden Frauen niedriger entlohnt als Männer. Wer es nachlesen möchte: kurzelinks.de/cgwq

Leider ist das nichts Neues. Als ich 1981 das Arbeiten anfing, waren es noch bis zu 30% – soweit ich mich erinnere. Das bürgerliche Gesetzbuch (in Deutschland wohlgemerkt, nicht in „Hintertupfingen-Land“) schrieb ja bis 1977 sogar noch vor, dass eine Ehefrau die Erlaubnis Ihres Ehemanns braucht, wenn sie arbeiten wollte.

Da haben wir es doch weit gebracht, meine Damen: Frauenquote, Frauenwahlrecht (seit 1918 in Deutschland, seit 1990 in der Gesamtschweiz durch eine verfassungsrechtliche Klage), Frauenbeauftragte in Unternehmen und so weiter…

Habe ich schon mal erwähnt, dass meine Großmutter nach dem Krieg ihren Job an einen Mann verlor, nachdem die meisten Männer wieder aus dem Krieg und der Gefangenschaft zurück waren? OBWOHL sie ihren Mann im Krieg verloren hatte und alleinerziehend war. Das erinnert mich an unsere jetzige Situation in der Corona-Pandemie, denn erst kürzlich las ich von mehreren Studien, alle mit dem gleichen Ergebnis: Dass die Corona-Krise Frauen mit der Kombination Homeoffice UND Homeschooling gleich mehrfach belastet. Binnen Wochen kippten emanzipierte Lebensmodelle. Frauen leisten innerhalb ihrer Familien durchschnittlich 1,5 Stunden am Tag Care-Arbeit, Männer dahingegen nur 0,6 Stunden. In der Woche summiert sich das auf 10,5 Stunden vs. vier Stunden (und 20 Minuten, natürlich).

Frauen haben sich seit dem ersten Lockdown im letzten Jahr überproportional in die Kurzarbeit „abgemeldet“ oder ihre Arbeitszeit reduziert, weil sie zwischen Homeoffice und Homeschooling, Kinderbetreuung (statt Krippe, Kindergarten oder Hort) und Haushalt zerrieben wurden und noch werden. Das nenne ich mal eine Rolle rückwärts in Sachen Gleichberechtigung. Als nächstes kommt dann wieder Werbung ins Fernsehen mit der Frau am Herd, die auf die Rückkehr ihres Mannes von der Arbeit wartet und ihm etwas Schönes gekocht hat (da empfehle ich mal alte Werbungen aus den 60er Jahren als Anschauungsmaterial).

 Verstehen wir uns richtig: Es ist überhaupt nichts dagegen einzuwenden, Abends für die Familie zu kochen und sich Gedanken darüber zu machen, was schmecken könnte. Aber es ist sehr viel dagegen einzuwenden, wenn das zur gesellschaftlichen Norm erklärt wird, die hauptsächlich für Frauen zu gelten scheint.

Das Problem wird sich auch nicht durch eine genderisierte Sprache lösen lassen, die mich - als Frau - übrigens komplett nervt. Ja, unsere Sprache ist und war sehr „männlich“. Ich bestand einst auch darauf, Diplom BetriebswirtIN genannt zu werden und nicht „nur“ -wirt. Sicher brauchte es hier mehr Achtsamkeit. Aber hilft das denn im Falle eines Falles? Tut es nicht – siehe die Corona-Pandemie.

Sätze von Müttern wie „Wir führen eine gleichberechtigte Partnerschaft und trotzdem geht mein Mann jeden Tag ins Büro während ich bei den Kindern zu Hause bleibe“ höre ich ständig. Das Argument: Als Frau arbeite ich ohnehin nur teilzeit- oder vollzeitnah und mein Mann verdient mehr. Ja genau, nämlich 19 % im Durchschnitt!

Die Renaissance der alten Rollen wurde allerdings nicht vom Virus ausgelöst. Sie zeigt nur, wie fragil das Konzept Gleichberechtigung wirklich ist. Und wo wir in Sachen Gleichberechtigung stehen. Dazu kommt noch, dass die meisten Branchen, die hauptsächlich vom Lockdown betroffen sind und waren, Branchen mit einem hohen Frauenanteil sind. Es droht also Arbeitslosigkeit und eine (noch)stärkere finanzielle Abhängigkeit vom Partner, von einer ausreichenden Altersvorsorge ganz zu schweigen.

 Woran also liegt es, dass wir trotz vieler Jahre Emanzipationsbewegung, trotz Alice Schwarzer ;-), trotz Frauenquote und „gendergerechter“ Sprache gerade wieder eine Rolle rückwärts machen? Fehlende Kinderbetreuung? Ja, natürlich, auch.  Aber meiner Meinung nach liegt es in erster Linie an der Haltung in unserer Gesellschaft. Das Wort „Rabenmutter“ gibt es z.B. nur in Deutschland, auch wenn es etwas aus der Mode gekommen ist – die Haltung dahinter existiert scheinbar immer noch: Eine Frau kümmert sich um die Kinder. Tut sie es nicht, hat sie doch hoffentlich wenigstens ein schlechtes Gewissen. Ein Mann kümmert sich um die finanzielle Sicherheit der Familie. Daher ist es auch angemessen, wenn er mehr verdient und Karriere macht. Funktioniert auch trotz Frauenquote weiterhin gut, dieses Konzept.

Und egal, ob eine Frau nun Kinder hat oder nicht – auch kinderlose Frauen werden diesbezüglich nicht anders behandelt. Da passt die Gleichberechtigung ja mal - wenn auch anders als gedacht. Zumindest solange, bis die Frau über 40 ist und damit wahrscheinlich keine Kinder mehr bekommt. Und fragen Sie mal Frauen, die eine tolle Karriere hatten bis etwa Anfang/Mitte 30 und in Elternzeit gegangen sind, was mit ihnen passiert ist, als sie zurück in ihren Job wollten?

Das Scheidungsrecht hat man übrigens vor einigen Jahren geändert, so dass sich eine Frau heute mit Unterhaltsansprüchen sehr schwer tut, wenn die gemeinsamen Kinder älter als drei Jahre sind. Das gibt dem Mann die Gelegenheit, nochmal eine neue Familie zu gründen und nicht finanziell ruiniert zu sein durch eine erste Ehe. Der geschiedenen Frau bleibt nur, den Rest ihres Lebens UNTER dem ihr möglichen Lebensstandard zu leben, den sie bei wahrer Gleichberechtigung hätte.

Es ist also, wie so oft, eine Frage der Haltung. Würde die Gesellschaft wirklich wollen, dass Frauen gleichberechtigt wären, dann müsste Familienzeit anders aufgeteilt werden, es müssten Gehaltsstrukturen offengelegt werden und Kinder als Verantwortung und Zuständigkeit für BEIDE Eltern gesehen werden – und der Gesellschaft insgesamt. Care-Arbeit, die 1,6 Mal häufiger von Frauen als von Männern erledigt wird, müsste honoriert werden. Vielleicht müsste es sogar sowas wie einen Job geben, der „Eltern“ heißt.

 

Eigentlich waren wir auf einem guten Weg, zwar nur langsam, aber doch… VOR der Pandemie! Und ja, es gibt auch Frauen, die es trotzdem schaffen. Ich zum Beispiel. Vielleicht wäre ich heute aber auch CEO eines Dax-Unternehmens, wenn man mir mit Ende 20 nicht den nächsten Karriereschritt verweigert hätte – mit den Worten: „Ich darf es zwar nicht sagen, aber wir haben uns für einen Mann mit gleicher Qualifikation entschieden“. Das war wenigstens ehrlich. Und es hat mir die Chance gegeben, einen Beruf zu finden, der mich mit Sinn, Spaß und einem gewissen Wohlstand erfüllt. Dafür bin ich auch überaus dankbar.

Wenn Sie sich jetzt denken: Und wo liegt die Lösung? Dann kann ich nur sagen: In uns allen. Gebt den Mädchen nicht nur gleiche Bildungschancen wie den Jungs (was übrigens auch heißt, dass wir wieder mehr männliche Erzieher und Lehrer brauchen, um den Jungs gerecht zu werden), sondern fordern wir im Berufsleben und auch privat ein, was eigentlich schon selbstverständlich sein sollte: Gleiche Chancen, gleiche Bezahlung, Entwicklung eines „männlichen“ und eines „weiblichen“ Lebensentwurfs hin zu einem Lebensentwurf, der für ALLE Menschen, geschlechtsunabhängig, möglich ist. Der auf Kompetenzen basiert und einer gemeinsamen Verantwortung für die nächsten Generationen, statt auf ein Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung.

Meint,

 

Ihre Anja Mumm